Nationalratswahl Österreich 2019 – Ergebnis und Analyse

Das Wahljahr 2019 nahm mit der Nationalratswahl am 29. September in Österreich sein Ende (zumindest bundesweit, da im Oktober in Vorarlberg und im November in der Steiermark, ebenfalls vorzeitig, ein neuer Landtag gewählt wird). Eine gewisse Politikmüdigkeit in Österreich führte zu einer niedrigeren Wahlbeteiligung, die im Vergleich zu 2017 von 80 auf 75,1 Prozent sank. 
Die ÖVP war trotz zuletzt gesunkenen Umfragewerte als klarer Favorit ins Rennen gegangen und konnte dies mit einem Ergebnis von 37,5 % klar bestätigen. Die Diskrepanz von über 3 % zu den Umfragen lässt sich auf die Wahlbeteiligung und eine gelungene Mobilisierung zurückführen.

Im Vergleich zur Wahl 2017 bedeutete dieses Ergebnis eine Verbesserung von 6 % für die ÖVP.
Die größten Gewinner der Wahl waren jedoch die Grünen, die mit einem Plus von 10,1 % nicht nur den Wiedereinzug schaffen konnten, sondern mit 13,9 % der Stimmen auch ein historisches Rekordergebnis erzielten.
Ebenfalls über einen neuen Rekord durften sich die NEOS freuen, die mit einem Plus von 2,8 % ihren Stimmenanteil auf 8,1 % steigern und damit ihren Platz im Nationalrat weiter festigen konnten.

Ein völlig anderes Bild zeigte sich bei der SPÖ, die die Regierungskrise vom Mai nicht nutzen konnte und einen Stimmenverlust von 5,7 % auf 21,2 % erleiden musste. Dies stellt ein historisches Rekordergebnis dar, aber im Gegensatz zu Grünen und NEOS kein positives.
Allerdings traf es sie nicht so hart wie die FPÖ, die durch mehrere Skandale gebeutelt mehr als ein Drittel ihrer Stimmen von 2017 verlor und auf 16,2 % fiel.
Auch die Liste JETZT musste Verluste erleiden und verpasste mit einem Minus von 2,5 % und einem Ergebnis von 1,9 % deutlich den Einzug in den Nationalrat.

Dieses Ergebnis führt zu deutlichen Mandatsverschiebungen, auch im Vergleich zu den Prognosen vor der Wahl. Die großen Stimmengewinne von ÖVP und den Grünen ermöglichen nun neben den Varianten ÖVP/SPÖ und ÖVP/FPÖ eine Koalition zwischen den beiden Parteien, die nicht auf die NEOS für die Mandatsmehrheit angewiesen ist.

Im Folgenden werden anhand der Wählerstromanalyse von SORA die Wählerbewegungen zwischen den Parteien analysiert.

ÖVP

Die ÖVP konnte 86 % ihrer Wähler von 2017 halten. Den großen Erfolg konnte sie aber durch 258.000 ehemalige FPÖ-Wähler erzielen, die damit 14,54 % der ÖVP-Stimmen stellen. Zusätzlich wechselten 74.000 Wähler von der SPÖ zur ÖVP. Dem stehen Abgänge von nur 11.000 und 14.000 zu diesen Parteien gegenüber.

Netto Verluste musst die ÖVP zu den Grünen und den NEOS hinnehmen, die 51.000 und 78.000 Stimmen zu sich ziehen konnten. Die niedrige Wahlbeteiligung kostete 19.000 Stimmen.

ÖVP Zugänge Abgänge
SPÖ
+ 74.000
– 14.000
FPÖ
+ 258.000
– 11.000
Grüne
+ 3.000
– 54.000
NEOS
+ 5.000
– 83.000
JETZT
+ 8.000
– 3.000
Sonstige
+ 19.000
– 4.000
Nichtwähler
+ 27.000
– 46.000

SPÖ

Die SPÖ konnte nur 68 % ihrer Wähler von 2017 halten. Leichte Zugewinne bekam sie nur von der FPÖ und Kleinparteien,was netto 13.000 zusätzliche Stimmen brachte.

Dem stehen erhebliche Verluste zu den Grünen und NEOS gegenüber, die netto 193.000 und 35.000 Wähler von der SPÖ erhielten. Die SPÖ hatte neben der FPÖ mit 39.000 Wählern die größten Verluste wegen der gesunkenen Wahlbeteiligung.

SPÖ Zugänge Abgänge
ÖVP
+ 14.000
– 74.000
FPÖ
+ 36.000
– 27.000
Grüne
+ 0
– 193.000
NEOS
+ 1.000
– 36.000
JETZT
+ 2.000
– 10.000
Sonstige
+ 10.000
– 6.000
Nichtwähler
+ 45.000
– 84.000

FPÖ

Nur 54 % der FPÖ-Wähler von 2017 blieben der Partei erhalten und sie verlor netto auch an alle anderen Parteien.

Die größten Verluste hatte sie an die ÖVP mit 258.000 Stimmen, denen nur 11.000 Zugänge gegenüber stehen. Die netto 224.000 FPÖ-Wähler, die zu Hause blieben, machten 75 % der gesunkenen Wahlbeteiligung aus.

FPÖ Zugänge Abgänge
ÖVP
+ 11.000
– 258.000
SPÖ
+ 27.000
– 36.000
Grüne
+ 3.000
– 32.000
NEOS
+ 1.000
– 28.000
JETZT
+ 3.000
– 6.000
Sonstige
+ 2.000
– 13.000
Nichtwähler
+ 11.000
– 235.000

Grüne

Die Grünen konnten nach der katastrophalen Wahl 2017 von allen Parteien Stimmen dazu gewinnen. Den größten Anteil am Erfolg hatten 193.000 SPÖ-Wähler die fast ein Drittel aller Stimmen stellen. Auch von den NEOS und der Liste JETZT konnten netto 72.000 und 88.000 Stimmen gewonnen werden.

Die Grünen sind die einzige Partei, die der niedrigen Wahlbeteiligung trotzen und netto 18.000 Stimmen aus dem Pool der Nichtwähler mobilisieren konnte.

Grüne Zugänge Abgänge
ÖVP
+ 54.000
– 3.000
SPÖ
+ 193.000
– 0
FPÖ
+ 32.000
– 3.000
NEOS
+ 91.000
– 19.000
JETZT
+ 90.000
– 2.000
Sonstige
+ 23.000
– 2.000
Nichtwähler
+ 28.000
– 10.000

NEOS

Obwohl die NEOS nur 55 % ihrer Wähler von 2017 halten konnten, schafften sie dank Gewinnen von allen Parteien mit Ausnahme der Grünen das historische Ergebnis. Ehemalige ÖVP-Wähler stellen 22 %, SPÖ-Wähler 10 % und JETZT-Wähler 8 % der Gesamtstimmen.

So wie alle anderen Parteien verloren die NEOS Stimmen an die Grünen. Die 91.000 Wähler stellen ganze 34 % der NEOS-Stimmen von 2017 dar.

NEOS Zugänge Abgänge
ÖVP
+ 83.000
– 5.000
SPÖ
+ 36.000
– 1.000
FPÖ
+ 28.000
– 1.000
Grüne
+ 19.000
– 91.000
JETZT
+ 29.000
– 2.000
Sonstige
+ 14.000
– 2.000
Nichtwähler
+ 15.000
– 20.000

JETZT

Nach dem überraschenden Einzug 2017 konnte die Liste JETZT nur 26 % ihrer Wähler halten. Die größten Verluste erlitt JETZT mit netto 88.000 Stimmen an die Grünen. 

Nach FPÖ und SPÖ spürte JETZT die gesunkene Wahlbeteiligung am stärksten und verlor damit 21.000 Stimmen.

JETZT Zugänge Abgänge
ÖVP
+ 3.000
– 8.000
SPÖ
+ 10.000
– 2.000
FPÖ
+ 6.000
– 3.000
Grüne
+ 2.000
– 90.000
NEOS
+ 2.000
– 29.000
Sonstige
+ 5.000
– 3.000
Nichtwähler
+ 8.000
– 29.000

Im nächsten Artikel beschäftigen wir uns mit den Wahlmotiven, die die Nationalratswahl 2019 entschieden haben.