No Country for Old Men: (Polizei)gewalt in Amerika

Die massiven Proteste gegen Polizeigewalt haben den weltweiten Fokus wieder auf ein dunkles Kapitel in den USA gerichtet. Der unmittelbare Auslöser für diese Proteste waren die auf Video aufgezeichneten Ereignisse, die zum Tod von George Floyd führten, der im Rahmen einer Verhaftung am 25. Mai 2020 wegen Kauf von Zigaretten mit Falschgeld von Polizisten am Boden festgehalten wurde.

Während die Vereinigten Staaten den Anspruch des obersten Schützers der Demokratie auf der Welt erheben, sind sie trauriger Spitzenreiter unter den reicheren Nationen in Bezug auf Tötungsdelikte. Im Jahr 2018 kamen laut dem Büro der UNO für Drogen- und Verbrechensbekämpfung 16.214 Personen gewaltsam um ihr Leben, was einer Mordrate von 496 Menschen pro 10 Millionen Einwohnern entspricht. Im selben Jahr kam es in Deutschland zu 901 vorsätzlichen Morden und einer Mordrate von 109 Menschen pro 10 Millionen Einwohnern. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, einem Mord zum Opfer zu fallen, in Amerika fast fünfmal so hoch.

 

Land Morde Einwohner Mordrate
USA
16.214
328 Millionen
496
Deutschland
901
83 Millionen
109

Eine noch größere Diskrepanz zu den übrigen führenden Industrienationen allgemein und Deutschland speziell ergibt sich allerdings, wenn man die Statistik der Tötungen durch Polizeikräfte betrachtet. Während es keine zuverlässigen Daten zu Todesfällen gibt, die durch Gewalteinwirkung wie im Falle Floyd’s oder im Rahmen von Autounfällen entstehen, werden polizeiliche Tötungen durch Schusswaffen genauer dokumentiert.

So starben 2018 in Deutschland 11 Menschen bei Einsätzen der Polizei durch Waffengewalt, was einer Rate von 1,3 pro 10 Millionen Einwohnern entspricht. In den USA stehen dem 991 polizeiliche Tötungen durch Schusswaffen entgegen. Die amerikanische Rate ist mit 30,2 Fällen pro 10 Millionen Einwohnern mehr als 22 Mal höher.

Land Tötungen Einwohner Tötungsrate
USA
991
328 Millionen
30,2
Deutschland
11
83 Millionen
1,3

In den Medien entsteht oft der Eindruck eines übermächtigen Polizeiapparates in Amerika und die Fallzahlen legen die Vermutung nahe, dass der Staat mit einem großen Polizeiaufgebot auf die Mordzahlen reagiert und dies auch zu mehr Tötungen durch Polizeigewalt führt.

Beim Blick auf die Daten der beiden Länder erweist sich dies aber als Trugschluss. Auf jede der 686.665 amerikanischen Sicherheitskräfte kommen 478 Einwohner und damit 150 Prozent mehr als in Deutschland.

Land Polizeikräfte Einwohner Quote E/P
USA
686.665
328 Millionen
478
Deutschland
273.300
83 Millionen
304

Die Ausgaben für öffentliche Ordnung und Sicherheit relativieren das Bild aber wieder, da hier die Vereinigten Staaten mit 2.02 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts um 30 Prozent mehr investieren. Dies erklärt auch die moderne militärische Ausrüstung der amerikanischen Polizeikräfte, die gegen die größtenteils friedlichen Proteste zum Einsatz kommt.

Im Spannungsfeld zwischen Forderungen, die Polizeieinheiten aufzulösen oder zumindest das Budget zu kürzen, und den Plünderungen und Eskalationen einer Minderheit der Demonstranten lässt sich kein einfacher Weg erkennen, den die USA diesbezüglich bestreiten können.

Korrektur 19.06.2020: Änderung der Mordzahlen für Deutschland von 788 auf 901. Quelle: Bundeskriminalamt