Wie läuft es so im Süden?

Ein wirtschaftlicher Überblick von “A” wie Alpen Silicon Valley, über “P” wie Počasen bis zu “Z” wie Zusammenarbeit.

So gut wie alle, ob Kärntner, andere Österreicher oder Touristen haben eine Meinung über Kärnten, aber kaum jemand einen vollständigen Überblick darüber, was unser Bundesland wirklich so alles bietet. Auch dieser Versuch in ABC-Form wird das nicht mit einem Schlag ändern, aber es stellt zumindest einen ersten Schritt dar, das südliche Potenzial besser zu verstehen und in Zukunft besser zu nutzen. Denn nur wenn man weiss, wo die eigenen Stärken und Schwächen liegen, kann man auch als Region dynamisch und nachhaltig wachsen.

Alpen Silicon Valley

In der schönen Kärntner Landschaft haben sich in den letzten Jahrzehnten einige High-Tech-Unternehmen niedergelassen und betreiben von hier aus höchst erfolgreich ihr Geschäft. Villach ist seit 1986 dank der Gründung der SEZ Holding ein europäischer Hotspot der Halbleiterindustrie und 1997 folgte Infineon Technologies, die sich zum Weltmarktführer entwickeln konnten. Die Alpen Adria Universität Klagenfurt bietet schon seit 1983 Informatik in ihrem Studienprogramm an. Direkt daneben siedelten sich dann ab 2003 verschiedene IT-Unternehmen im neu gegründeten Lakeside Science & Technology Park an, der derzeit 76 Firmen und 1.300 Mitarbeiter beherbergt.

Bergbau

In Kärnten wurde schon nach Blei in den Kalkalpen gegraben, als Odysseus auf dem Heimweg nach Ithaka noch einen kleinen Umweg nehmen musste. Ein paar Jahrhunderte später holten sich dann die Römer bei Hüttenberg das Norische Eisen für ihre Schwerter und Speere aus dem Boden. Seit Ende des 20. Jahrhunderts ist Ruhe eingekehrt. Doch ein Kärntner Schatz ist noch tief vergraben. Lithium ist ein zentraler Rohstoff für Akkus in Handys, Laptops und Elektroautos und geschätzte 22 Millionen Tonnen lithiumhaltiges Grundgestein liegen unter der Koralpe.

Chancen

Gerade in Regionen, die in Industrie, Handel und Dienstleistung noch nicht übersättigt sind und wo Immobilienpreise nicht in den Himmel gewachsen sind, können junge Firmen leichter Fuß fassen und einen Namen für sich machen. Jeder schwärmt davon, wie perfekt Kärnten für junge Familien wäre, aber noch fehlen Anreize dafür, dass hochgebildete und -qualifizierte Menschen beruflich hierher ziehen. Aber wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammenarbeiten, steht einem Boom nichts mehr im Weg.

Digitalisierung

Nicht erst seit Corona ist man sich in Kärnten bewusst, wie wichtig ein moderne IT-Infrastruktur für eine erfolgreiche Wirtschaft ist. Der Ausbau des Glasfasernetzes und ein flächendeckendes Upgrade des Mobilfunknetzes auf 5g schaffen die Basis für ein modernes Wirtschaftsleben auch abseits der Ballungszentren. Eine digital vernetzte Industrie, bei der selbst die Maschinen miteinander reden, kann schnell auf die sich stetig ändernden Anforderungen eines globalen Marktes reagieren.

Energiewirtschaft

Die meisten Sonnenstunden Österreichs und unsere vielen Flüssen haben dafür gesorgt, dass Kärnten Vorreiter bei alternativen Energiequellen ist. Durch die Erschließung der Wasserkraft durch die KELAG bezieht man im Süden Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren und ökologischen Quellen. Nachdem in Kärnten die Sonne am beständigsten und längsten lacht, überrascht es wenig, dass sich im Bereich Solaranlagen Kärntner Unternehmen GREENoneTEC hier zum Weltmarktführer entwickeln konnte.

Forschung und Wissenschaft

Universitäten sind überall das Zentrum für wissenschaftliche Forschung, die den Grundstein für eine dynamische Wirtschaft bildet. Die Alpen Adria Universität Klagenfurt forscht im Rahmen ihrer vier Fakultäten und ist in vielen Kooperationsprojekten tätig. Daneben stellt unternehmerische Forschung aber auch einen wichtigen Bestandteil einer Wissensgesellschaft dar. Dies fällt aber gerade kleineren Unternehmen aus Kostengründen schwer. Daher war die Gründung der Kärntner Forschungsrates im Dezember 2019 ein wichtiger Schritt für die weitere Entwicklung des Landes.

Gründerszene

In Kärnten lebt und gründet man gerne und das fast 2.500 Mal pro Jahr. Vor allem einzelne Personen suchen ihr Glück in der Selbstständigkeit und können dabei auf ein lebendiges Netzwerk zurückgreifen. Neben Initiativen von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung gibt es auch viele unabhängige Plattformen, die Gründer in der Anfangszeit und darüber hinaus unterstützen.

Handel

Fast zehn Prozent der Kärntner Wirtschaftsleistung werden im Handel erzielt. Jedes Jahr zu Weihnachten gibt es auch in Kärnten neue Rekordmeldungen über erzielte Umsätze. In den letzten Jahren hat allerdings eine Verlagerung von den Stadtzentren zu Einkaufszentren stattgefunden, die sich größtenteils an den Stadträndern befinden. Darunter litten die Stadtkerne und ihre Händler. Der Boom des Versandhandels in der Corona-Krise führte als Nebeneffekt zu einer gewissen Chancengleichheit für kleine Händler, die diesen Trend früh erkennen und nutzen konnten.

Industrie

Bei uns im Süden wird fast alles produziert, aber besonders stark sind wir bei (Mikro)Elektronik mit dem Cluster in Villach, Informationstechnologie in Klagenfurt und Solaranlagen in St. Veit. Daneben gibt es erfolgreiche Unternehmen im Maschinenbau und der Holzindustrie, die überall in Kärnten zu finden sind. Über die Herstellung von Waren werden jährlich so fast vier Milliarden Euro lukriert.

Jobs und Karriere

Ein Blick auf die Statistik kann ein trübes Bild vermitteln. Noch einmal hinschauen lohnt sich aber, denn nirgends in Österreich klaffen die Arbeitslosenzahlen zwischen den Berechnungsformeln so auseinander wie in Kärnten. Die vielen unternehmerischen Ein-Personen-Unternehmen im Süden sorgten 2019 in der österreichischen Variante für ein Plus von 5 Prozent  zur EU-Arbeitslosenquote von 3,8 Prozent. Und gerade diese Gründer könnten in der Zukunft die Basis für ein starkes Wirtschaftswachstum bilden.

Kunst und Kultur

Seit letztem Jahr hat endlich auch Kärnten dank Peter Handke einen (Literatur-)Nobelpreisträger. Auch sonst ist die Reihe berühmter Kärntner Künstler lang und eindrucksvoll, ob zeitgenössisch oder klassisch. Neben vielen kleineren Veranstaltungsreihen, Konzerthäusern und Theatern sind der Carinthische Sommer im Stift Ossiach und der Ingeborg Bachmann Preis in Klagenfurt die großen Aushängeschilder der Kärntner Kulturszene.

Landwirtschaft

Entgegen vieler Klischees ist die Bedeutung der Landwirtschaft in Kärnten äußerst gering und trägt nur 1,74 Prozent zur gesamten Bruttowertschöpfung des Landes bei. Da mit klassischer Landwirtschaft im kleinen und mittleren Bereich kaum Geld zu verdienen ist, suchen sich immer mehr Landwirte andere Geldquellen. Oft führt das zur Verpachtung oder dem Verkauf von ehemaligen Acker- und Weideflächen an Supermarktketten, wodurch Grünflächen verloren gehen.

Märkte

Das Leben im Süden wird seit jeher von Märkten geprägt. Wochen- und Bauernmärkte ziehen Jung und Alt in Städten und Ortschaften magisch an. Flohmärkte lockern langweilige Wochenenden auf und der Wiesenmarkt in St. Veit zählt zu den größten Veranstaltungen des Landes. Sowohl für unsere Bauern als auch die Kärntner Konsumenten bieten diese Vertriebswege abseits von Supermarktketten und Discountern eine wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Alternative.

Nachhaltigkeit

Wir Kärntner wissen, in welchem Paradies wir leben dürfen. Daher legen wir auch besonderen Wert darauf, dass unsere Kinder und Kindeskinder sich auch in Zukunft an der Natur und Landschaft erfreuen können. Die vielen Naturschutzgebiete und der Nationalpark Hohe Tauern schützen besondere Gebiete vor übermäßigen Eingriffen des Menschen. Während wir unseren Strom zu 100 Prozent aus Wasserkraft und Ökoenergie beziehen können, wächst der Waldbestand, unsere “grüne Lunge”, immer weiter und deckt mittlerweile über 60 Prozent von Kärnten ab.

Originalität

Den berühmten Kärntner Charme und Witz legen wir auch im Geschäftsleben nie ganz ab. Professionalität geht dabei immer vor, aber eine seriöse und ernsthafte Arbeitsweise und eine sympathische Lockerheit stehen sich nie im Weg, sondern ergänzen sich. Gerade deshalb sind Kärntner Unternehmen auf der ganzen Welt erfolgreich.

Počasen oder Just in Time

“Imma schen počasen!” Im Privaten hört man diese Aussage zwar manchmal, aber wenn es ernst wird und es um das Geschäft geht, kommt auch beim entspanntesten Kärntner der fleißige Germane hervor. Das ist die gelebte Work-Life-Balance im Süden: pünktlich und genau im Geschäft, relaxed und lebensfroh in der Freizeit.

(Lebens-)Qualität

Nicht nur in- und ausländische Touristen schwärmen von unserem Land. Auch wir Einheimischen sind immer wieder begeistert von der Lebensqualität im Süden. Kärnten hat mit 58 Personen pro Quadratkilometer nach Tirol die zweitniedrigste Bevölkerungsdichte. Während bevölkerungsreiche Städte und Gegenden wirtschaftlich boomen, leiden andere Aspekte darunter. Die Ruhe, Luftqualität und Sicherheit für uns und unsere Kinder gleichen diesen Nachteil aber wieder aus.

Rose vom Wörthersee

In einem bekannten Schlager aus dem Jahre 1947 wird zwar eine schöne Frau besungen, aber über die Jahre hat sich das Lied zu einer Hymne der gesamten Region entwickelt, das sogar bei Eishockeypartien gegrölt wird. Der Wörthersee ist zwar der größte und bekannteste See in Kärnten, aber die vielen anderen Gewässer müssen sich keineswegs verstecken. Zu jeder Jahreszeit erfreuen sich die Kärntner an ihren unzähligen Süßwasseroasen.

Schulen und Kindergärten

Diesen Herbst werden insgesamt 71.000 Schüler und 22.000 Kindergartenkinder nach einem ungewöhnlichen letzten Schuljahr wieder in ihre Klassenräume zurückkehren. Das Schulangebot in Kärnten richtet sich an verschiedenste Zielgruppen. So besuchen 21.500 Schüler berufsbildende Schulen und in Velden bietet die International School Carinthia hochwertige Bildung in englischer Sprache.

Tourismus

Fast 7 Prozent der Kärntner Wirtschaftsleistung wird im Tourismus durch Gastronomie und Hotellerie erzielt. Für die meisten Gäste ist ein Wochenende viel zu wenig, um unser schönes Land zu genießen und bleiben daher im Schnitt auch länger als vier Tage. Jedes Jahr kommen so fast 24 Gäste auf jeden Kärntner. Trotzdem müssen die Betriebe mit einer geringen Bettenauslastung von nur 32 Prozent kämpfen.

Universität und Fachhochschulen

Seit 1970 bietet die Alpen Adria Universität Klagenfurt Bildung auf hohem Niveau in den Bereichen Kultur-, Wirtschafts- und Technische Wissenschaften und einer eigenen Fakultät für Interdisziplinäre Forschung. Dieses Bildungsangebot wird seit 1995 von der FH Kärnten an den vier Standorten Klagenfurt, Villach, Spittal und Feldkirchen mit verschiedenen Studiengängen erweitert und sorgt für ein breit gefächertes Know How.

Verkehr und Infrastruktur

So geschützt Kärnten von seinen Bergen manchmal wirkt, so zentral liegen wir doch im Herzen verschiedener Wirtschaftszonen. In einem Umkreis von unter vier Fahrstunden kann man München, Wien, Slowenien und Friaul Julisch Venetien erreichen. Diese Möglichkeiten werden 2025 noch durch eine Zuganbindung in den Osten über den Koralmtunnel erweitert.

Wirtschaftsdaten

Kärnten erzielt jährlich ein Bruttoregionalprodukt von insgesamt fast 20 Milliarden Euro oder 37.200 Euro pro Kopf. Diese Werte liegen leider trotz einer Steigerung von 68,3 Prozent zwischen 2000 und 2018 deutlich unter dem österreichischen Schnitt. Fast 58 Prozent davon werden von Ein-Personen-Unternehmen erwirtschaftet. Eine gute Vernetzung und Förderung der Gründerszene stellt daher einen enorm wichtigen Wirtschaftsfaktor dar, mit dem der Süden Anschluss an Salzburg und Wien finden kann.

Xangsverein, Xundheit und Xuffa

Wie schon Heinz Erhardt bemerkte, gibt es im Deutschen nur zwei Worte, die mit “X” beginnen: “Xundheit und Xuffa!” In Kärnten kommt dank vieler Profi- und Amateurchöre noch ein drittes dazu: “Xangsverein”. Auch wenn das Brauchtum des Kärntner Chors immer weniger von der breiten Masse gepflegt wird, so ist er doch eine Markenzeichen Kärntens. Über 600 Chöre pflegen weiterhin das Kulturgut des Kärntnerliedes, das bereits 1485 in den Reisetagebüchern des Sekretärs des Bischof von Caorle besonders erwähnt wurde.

Young Blood Needed

In der gesamten westliche Welt leiden die Gesellschaften unter einer immer kopflastigeren Bevölkerungsstruktur. Auch Kärnten ist von einer Überalterung der Bevölkerung betroffen. So kommen derzeit auf 335.000 Personen im Erwerbsalter 225.000 Personen, die entweder zu alt oder zu jung sind. Diese Belastungsquote von 67,1 Prozent  wird bis 2075 jedoch auf über 100 Prozent steigen. Um dieser Entwicklung Herr zu werden, gibt es zwei Möglichkeiten: das alte biblische “Liebet und mehret euch!” oder gesteigerte Produktivität durch Innovation. Für beides brauchen wir junge Leute, die in Kärnten leben und arbeiten wollen.

Zusammenarbeit

Als sich 1999 Kärnten gemeinsam mit Slowenien und Friaul-Julisch Venetien unter dem Motto “Senza confini” für die Olympiade 2006 bewarb, war mehr als nur eine Eventidee geboren. Die folgenden Jahre stärkten mit der Einführung des Euro 2002, dem Beitritt Sloweniens zur EU 2004 und vollständig zu Schengen 2007 die Kooperation zwischen den drei Regionen. So haben mittlerweile 1000 Kärntner Unternehmen eine Niederlassung in Slowenien und die Kärntner Wirtschaft exportiert jährlich Waren im Wert von 300 Millionen Euro dorthin. Wenn der Süden in Zukunft weiterhin erfolgreich sein will, muss diese Zusammenarbeit weiter betrieben und noch vertieft werden.